Die Dinge kulminieren. Mir ist dieses Wort eingefallen und ich denke, es bedeutet etwas in die Richtung, dass es sich hoch schaukelt. Eines kommt zum anderen. Man weiß nicht, ob die Puzzleteile passen, aber man glaubt, weil man es möchte. Dann entsteht etwas Besonderes, das einen selbst erhöht. Menschen sind Meister im sich selbst belügen. Das ist ein guter Trick, der funktioniert. Ich weiß das, vielleicht aus eigener Erfahrung. Das ist das persönliche Stockholm-Syndrom, das einen tanzen lässt im Schlund der ewigen Hölle.
Die letzten beiden Worte habe ich wegen ihrer schönen Dramatik geschrieben. Höllenschlund. Als würde man unter Drogen an einem Strand nächtelang mit den Wellen und Gezeiten tanzen. Hingeben. Alles.
Das Bild oben, ist mein favourite. Norbert van Ackeren hat es gemalt. Normalerweise schreibe und artikuliere ich solche Dinge nicht, weil sie so klingen, als würde man im Konsumrausch sein Lieblingseis nennen. In diesem Falle möchte ich es schreiben. Er ist mein an mein Herz gewachsener Lieblingskünstler. Der Eine ist Fan von Borussia Dortmund, der Andere bin ich. Lasst uns kein Aufhebens machen. Das Eine ist nicht schlechter als das Andere. Oder besser, oder klüger.
Ab und an, immer seltener besuche ich Instagram. Dann schaue ich, was verschiedene Menschen gerade so machen. Die pure Neugierde. Unverbindlich und ohne Augenkontakt. Ah. So. Gut.
Also öffnete ich Instagram am Laptop und schaute, was bei Norbert los ist. Da war plötzlich der van Gogh. Eine Zäsur, auf die ich gewartet hatte. CUT, habe ich einmal in meinem Blog geschrieben. Schnitt, heißt das im Film. van Ackeren malt van Gogh. Ein Porträt, ein Hintergrund in Pink. Es hat mich getroffen wie ein Schlag. Es war, als wäre der Durchbruch geschafft. Diese elende Strecke bis zum nächsten kleinen Ziel. Diese Trippelschritte, die dem Gipfel niemals näher kommen. Wer kennt das nicht? Was passiert schon Großes im Leben? Geburtstag, Heirat, Party, Weihnachten, Grillfest, Urlaub, mal Österreich, mal Thailand und ab und an diese einmaligen Gespräche, die vom Himmel fallen und das Herz und die Seele streicheln. Oder ein Wort, das einem die Adern küsst. Pulsierend. Peng.
Ich weiß wirklich nicht, was geschehen ist. Zunächst. Was ist der Unterschied zwischen Norberts van Gogh und Norberts Trakl? Das Pink? Beide sind seine Seele, sein Ich, seine Kraft. Ich weiß auch, dass er sie fühlt. Und wenn er sie fühlt und er sie
malt, dann fühle ich sie auch und werde froh. Das ist die unbändige Kraft der Kunst. Sie lässt Seelen miteinander sprechen. Atomare Kommunikation. Partikel. Pigmente. Im Falle Norbert van Ackerens metallurgische Ströme zwischen den Welten. Kupfer, Eisen. Zersetzend, verändernd, liebend. Ein sanfter Firn. Viel weniger gewaltig als im Denken vernommen. Es passiert, langsam, es lebt, bleibt, stürzt, steigt.
Dieser van Gogh fesselt mich. Sein Blick ist nicht weniger als die Mona Lisa, die ich gerade erst gesehen habe. Auge in Auge im chinesischen Teenie-Selfie-Gewitter mit dem Rücken zu Leonardos Braut. Eine Dreiviertel Stunde im Sog der Social-Media-Post-Wut. Knips. Schrecklich war das, klar. Respektlos, dumm und ahnungslos. Nun. So sind wir. Der Eine dort, die Andere woanders. Wir haben unsere Felder, auf denen wir unsere Ahnungslosigkeit in Perfektion ausspielen. Man muss verzeihen können, lieben, Pflaster vergeben, leichte Küsse der Besserung.
Das Bild ist van Gogh. van Gogh hat es gemalt. So ähnlich. Ich kenne es. Aber es nicht das, was ich hier gesehen habe. Man könnte sagen, jemand anderes spielt Halleluja in einer neuen Version nach Cohen und Buckley. So ist es nicht. Es ist im Gleichen etwas ganz Neues. Mich hat es als Sehnsucht getroffen. Als Wunsch und Möglichkeit und Auferstehung. Es ist eine Epiphanie. Klar gekennzeichnet und stark im Ausdruck. Pop Art und van Ackeren und van Gogh. Das Wesen. Das Kulminierende.
Ich liebe dieses Bild, weil es voller Hoffnung ist aus dem nicht Pinken heraus.
Was es ist? Kommt, ihr seht es. Schaut hin. Nehmt euch einen langen Augenblick. Lasst wirken. Bitte. Steht im Louvre und denkt groß im Kleinen.
Und?
Yep. Wie immer beim Menschen.
Die Augen, der Blick. In diesem Fall ist geschehen, dass er lebt. Im Zwiespalt. Lebendig oder tot? Hinausschauend nach vorne oder nach Innen? In diesem Bild steckt alles, was uns bewegt. Hoffnung und Selbstzweifel, Kraft und Mutlosigkeit. Es ist eine Metapher.
Solche Bilder gelingen nicht oft. Dieser van Gogh ist eine Ikone. Er rührt mich tief. Ich kann ihn anschauen und anschauen bis zu dem Gefühl, dass ich mit ihm sprechen möchte. Ich weiß, klingt nach kurz vor Einweisung. So ist Kunst, alles andere sind Abziehbilder. Arm anlecken und drauf und wie Pirat fühlen.
Hätte ich ein Museum für moderne Kunst. Contemporary. Big ass. Ich würde es sofort machen.