Barbara Schachtners und Norbert van Ackerens Museum des Aufstehens und Untergehens in der Straße Harmonie

Barbara 1

Duisburg Ruhrort, die Zweite. Barbara Schachtner und Norbert van Ackeren, die X-te. Sie haben es wieder getan, sich einen Raum genommen und bespielt. Geformt, inszeniert, aufgeladen. In Bilder, Objekte, Subjekte, Videos, Bühnenbilder, Artefakte gehüllt, getaucht.

Nun habe ich schon einiges von den beiden gesehen und gehört an verschiedenen Orten. Köln, Essen, Duisburg. Labor Ebertplatz, Museum Kolumba, Maison Belge, Le Chat Noir und jetzt eben in diesem Ladenlokal in der Ruhrorter Harmoniestraße. Ecke, 34 A.

Die Türen öffnen nach 18 Uhr, vorher beschäftigen die Schaufenster. Da ist eine Bar aufgebaut, Käfer krabbeln unter Rotlicht, scharren in Erde, klettern über Rosenkohl, ein Film läuft: Der Hafen, Schiffe, alles in Gelb und Pink.

Die Inszenierung heißt: SCHACHTEN & ACKERN, Peripherie II, Lafayette

In der Einladung heißt es „Die RUHRORTER-NATIONAL-GALERIE verortet sich ein weiteres Mal in dem Hafenstadtteil Ruhrort und bittet das frisch gegründete Künstler-Duo SCHACHTEN + ACKERN, aus Duisburg/Köln, ihren Blick auf 300 Jahre Hafen zu richten, um mit den Techniken des Gesangs, der Malerei, der Performance und Installation, dem scheinbar Selbstverständlichen eine neue Aufmerksamkeit zu geben.“

Was ist das scheinbar Selbstverständliche? Nun, es ist Detektivarbeit. Barbara und Norbert haben in diesem Ladenlokal ein Labyrinth aufgebaut, das die Besucher aufsaugt, im Kreis gehen lässt. Ein dunkles Museum, in dem morbide Hände aus den Wänden wachsen und Vergänglichkeit an die Hand geben, präsentieren, ästhetisieren. Wo gibt es einen Halt, einen Hinweis, der die Sinne lenkt, verknüpft, führt?

Ich laufe mit meiner Kamera umher, verliere Viveka, treffe sie, sehe Barbara im Kostüm. Eine Außerirdische. Ziggy Stardust. Silber glitzernde Plateaustiefel. Die Frau, die vom Himmel fiel. In diese geschaffene, kommentierende, atmosphärische Welt. Eine, die verfolgt, beglotzt wird, die ihr Programm hat. Für sich, in der Rolle, Position, Szenerie gefangen, verloren.

Barbara 2

Barbara hat einen Rekorder bei sich. Es läuft Musik, Hans Albers, der späte, dessen Stimme, nunja, brüchig ist, schräg. Barbara kommentiert, spricht, flüstert, siniert einen langen Abend. Geht komplett rein, läuft umher, nimmt Platz, betrachtet, legt sich, schweigt, spricht, singt erneut.

Die Dinge finden zusammen. Die Beiträge aus diesem Blog fließen ineinander. Das erste Treffen damals im Labor, die Trakl Apotheke im Labor, die Performance und Ausstellung im Maison Belge.

12. Mai 2012, ein Zitat vorangestellt. Trakl.

„Liebend auch umfängt im Schweigen im Zimmer die Schatten der
Alten,
Die purpurnen Martern, Klagen eines großen Geschlechts,
Das fromm nun hingeht im einsamen Enkel.

Denn strahlender immer erwacht aus schwarzen Minuten des Wahn-
sinns
Der Duldende an versteinerter Schwelle

(aus der menschheitsdämmerung: Georg Trakl, Gesang des Abgeschiedenen)“

Affe

Trakl ist im Raum, van Ackerens Kunst, Sichtweise. Die Vergänglichkeit, das Zerfließen, Vergehen, Zerrinnen. Rot fließt es aus Löchern aus den Wänden auf den Boden. Lachen bilden sich. Ein Etwas löst sich in einem kleinen Raum auf. Die Säfte fließen, als wären es die Reste eines verwesenden Schweins. Vor dem Raum, das Knäuel aus Metall, auf dem das echte Schweineherz liegt. So, als hätte es gerade eben noch gepocht. Dort liegt es als Opfergabe vor dem aus der Wand hervorstehenden Firmennamen. HAFUCK steht dort. Auf dunklem Grund, der Hochglanz zerflossen, Brauntöne, schwarz, angelaufen. Die guten Zeiten sind vorbei.

HAFUCK

300 Jahre Hafen. HAFUCK. Eine Position. Ich habe ein wenig recherchiert. Nun, Ruhrgebiet. Da ist der alles umfassende Strukturwandel nicht weit. Und große Worte auch nicht. Der Ruhrorter Hafen ist einer der größten Binnenhafen der Welt. 45.000 Menschen arbeiten dort. Ein Glanzlicht des Strukturwandels, die Industrie, die Autoindustrie verschickt von hier Waren, Ersatzteile in alle Welt. Eine Erfolgsgeschichte, mit der dieser Ort Ruhrort augenscheinlich nicht so mithalten will. Ich habe mir eben ein Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahr 2009 gegönnt. Wohlfeile Worte. Perspektive, Entwicklung, Chance, Stadtteil am Wasser, an Rhein und Ruhr. Promenaden, Plätze, Kunst, Kultur, Gewerbe. Wenn es erst einmal anspringt…

Masterplan Duisburg-Ruhrort.

„Ziel ist es, den Stadtteil zu einem attraktiven zentrumsnahen Wohnort weiterzuentwickeln, neue Arbeitswelten am Wasser entstehen zu lassen und durch neue attraktive Freizeit- und Kulturangebote die Anziehungskraft für neue Bewohner und Besucher deutlich zu steigern.“

Die spannenden Nahtstellen zwischen Wasser und Land gilt es in den kommenden Jahren deutlich stärker herauszuarbeiten und den „Wasserreichtum“ für die Entwicklung neuer Lagen gezielt zu nutzen. Darüber hinaus gilt es, die über größere Strecken bereits vorhandenen grünen Wege, Alleen, Parks und Freiräume schrittweise zu einem prägnanten grünen Ring Ruhrort, der Ruhrorter Promenade auszubauen und mit den inneren Lagen besser zu verbinden.“

Klingt nach HAFUCK.

Im Raum hinter der Firmenwand läuft ein Film. Eine Frau, ein Mann, Barbara, Norbert, die vom Himmel fallen. Verloren in diesem Hafen. Schlendernd, tanzend, suchend, erscheinend, verschwindend, vor Wände laufend. Ein Schiff fährt vorbei, langsam von rechts nach links. Stumme Schreie.

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Runde um Runde durch dieses Museum in der Harmoniestraße, in der Peripherie II, in diesem verschollenen Kaufhaus Lafyette, in dem sich das Bier in alten Regalen stapelt und von den Besuchern getrunken wird. Astra. Hafenstadtbier. Hafenspelunke in Rotlicht. Der Versuch, sich über Fotografieren zu nähern, all dieses Unbeschreibliche festzuhalten, mitzunehmen, später auszuwerten.

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Während die Fremde begafft wird. Direkt, durch das Spannerloch in der Wand. Peepshow. So ist das in den Häfen. Das Schifferklavier am Boden, in diesem Fluchtraum, dieser Kajütte mit Koffer. Ist es Ankommen oder Gehen? Vergangenheit oder Zukunft? Sie spannt die Fäden durch den Raum im Schutze der Heiligen Mutter mit Kind.

Geschützt und ausgeliefert, fremd und distanziert, verloren und erhaben. Heilige und Hure ist das Sinnbild, das Verschwimmen der Linien.

Barbara 4

Ich für meinen Teil bin jetzt noch geflasht, die Bilder laufen, die Möwen des Hafenfilms kreischen laut und eindringlich, Barbaras Stimme, Norberts Bilder, der Raum, die Menschen im Kreis. Sehr intensiv. Wer sich in Kunst tief verlieren möchte, bereit ist, Zeit und offene Sinne mitzubringen, erlebt ein faszinierendes Spektakel, das es nicht allertage, allerorten zu bestaunen gibt. Und es ist eine Chance, einmal nach Duisburg Ruhrort über die Brücke zu kommen. Dorthin, wo sich Rhein und Ruhr treffen und wo die Kunst sich inspirierend zwischen gestern, heute, morgen, leben und sterben bewegt. Eindringlich, laut, leise. Letztlich doch schön.

RUHRORTER – NATIONAL – GALERIE lädt ein:

SCHACHTEN+ACKERN

PERIPHERIE II
Lafayette

Harmoniestr. 34a; DU-Ruhrort

Weitere Öffnungszeiten :

Samstag, 05.03.2016, ab 16Uhr
Sonntag, 06.03.2016, ab 16Uhr

P.S. – in der Harmoniestraße lohnt sich dann auch gleich, sich nebenan im Schaufenster des geschlossenen Panda-Grills Michael Nowottnys Videoinstallation anzusehen. Und wenn das Lokal Harmonie geöffnet ist, solltet ihr. Rechts neben der Bühne hängt ein großer van Ackeren. Und hinter der Theke steht, vielleicht, Norberts Bruder Wolfgang van Ackeren, der Kunst in Ruhrort lebt.

SICHTWECHSEL / GESTRANDET

Videoinstallation ab dem 26.2. bis zum 13.3 2016
ab Einbruch der Dämmerung im ehem. Panda-Imbiss,
direkt gegenüber vom Lokal Harmonie

SICHTWECHSEL – Bilder aus St. Pauli und Ruhrort

GESTRANDET – Filmprojekt von Michael Nowottny.
Waljagd im Rhein – Zur Erinnerung an die dramatischen Szenen
von 1966, als im Duisburger Hafen einem verirrten Belugawal
nachgesetzt wurde. Mit Adriana Kocijan als Ahab

Unterstütz durch Projektgalerie LABOR

Lokal Harmonie
Harmoniestr. 41
47119 Duisburg

http://www.duisburger-akzente.de/de/index.php
http://www.lokal-harmonie.de/veranstaltungen/range.listevents/-

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