Die Sonne ist nicht nur ein Planet

Ist das Kunst oder kann das weg? Trifft hier wohl besonders zu, weil die alte Miele SPECIAL ELECTRONIC W698 nach 30 Dienstjahren eigentlich den Weg des Gerechten gegangen wäre. Im besten Falle ausgeschlachtet und als Organspender lebensverlängernd für ein baugleiches Modell verwendet.

Anfang der Neunziger entstand ein erstes Bild der gegenständlichen Serie. Eine Kühlschrank-Tür eines Siemens-Kühlschranks, der auf einem tief blauen Untergrund gelandet ist. Zu der Zeit war ich noch Regieassistent und wollte die Welt nicht nur über die Bretter, die die Welt bedeuten, nicht nur erobern, sondern mindestens auch verändern und natürlich nachhaltig retten. Dass mit dem Gerettetetetet hat nicht so ganz so gut funktioniert. Die damals sich abzeichnenden Herausforderungen der Menschheit haben sich nicht in Wohlgefallen auflösen wollen und auch die Revolution des Guten hat in der Form vielleicht eher in der zweiten Reihe und schleichend stattgefunden.

Ich glaube es war im Jahr 1994, als der Kühlschrank einen Interessenten fand, der ihn mir für 1.000,- DM abkaufen wollte. Nein habe ich gesagt. Da bin ich Egoist. Das sind meine Bilder fernab von Kunst und Kunstmarkt. Mein Geld verdiene ich als Texter und Konzepter – das sind meine Aufgaben in dieser Welt, die ich schätze und die mich beruflich ausfüllen und glücklich machen. Mit Gedanken und Worten spielen, in die Tasten hauen, den Nevenkitzel vor der leeren weißen Fläche vor den Augen spüren. Auch noch nach so vielen Jahren dieses Kribbeln des Scheiterns. Wird das was?

KATHARSIS 2020. Hatte ich auf Instagram und Facebook veröffentlicht, ohne sehr viel dazu zu sagen. Sollte selbsterklärend sein. Wie bei den anderen Exemplaren der Serie – es gibt noch einen Feuerlöscher auf hellgrünem Grund und drei Küchenbeile mit hellgrünem Kopf auf organefarbenem Grund – schien mir doch ein wenig Ratlosigkeit aufzukommen.

Was soll das?

Nichts. Gar überhaupt nichts als ganz allein mir dieses innere Gefühl zu geben, das niemand nachvollziehen kann. Das „Projekt“ trage ich schon seit Jahren im Kopf. So eine Idee der Kategorie „würde ich gerne mache“. Also das, was üblicherweise in der Tonne und Vergessenheit des Lebens vor sich hin schimmelt.

Corona-Coroni war dann der Impuls, es zu tun.

Nun bin ich glücklich. Es war eine Freude, den Weg zu gehen. Die Maschine nach langer Suche bei Ebay Kleinanzeigen zu entdecken, den Transport zu organisieren, sie in die Werkstatt zu schleifen und zu demontieren. Zwei Gedankenebenen in meinem Kopf. Was bedeutet sie für dich? Die Maschine, ihr Antlitz. Wie setzt du das handwerklich um? Die Größe, die Farbe, die Haltekonstruktion im Hintergrund bei rund 30 Kilo Gesamtgewicht.

Schritt für Schritt. Es hat mich ausgefüllt, hat meine Gedanken kanalisiert und kleine Antworten auf die Herausforderungen der Zeit gegeben. Ich verstand und verstehe das alles nicht, was passiert. Tue das immer noch nicht und beziehe keine Stellung mit Worten. Für mich habe ich einen Umgang gefunden, der meiner Seele eine angenehme Ruhe gibt. Ich denke, das kommt nicht von allein und nicht alle Ventile, die der Mensch sich sucht, sind geeignet. Manches ist vielleicht sogar eher kontraproduktiv.

Es ist eine Zeit, in der man das Ich als Labor und Experimentierfeld verstehen kann. Ein wenig wie Mondlandung. Gar nicht so einfach, Ordnung im Ich zu halten. Mit allen Umständen, Zuständen, Impulsen umzugehen.

Im Osten geht die Sonne auf. Jeden Tag. Noch vor Mittag beginnt sie, hier in mein Lebens- und Arbeitsrefugium zu scheinen. Zumindest an Tagen wie diesem. Ich sitze in der Küche an dem alten kleinen Tisch aus Holz, an dem ich im Internat für mein Abi gelernt habe und der mich seither begleitet. Meine ersten Texte im Büro für Grafik und Text in Köln-Ehrenfeld in der Gutenbergstarße sind im April 1996 an diesem Tisch entstanden. Man könnte denken, es hätte sich nichts getan. Nun. Hier sitze ich also weiterhin und schreibe, denke, trinke Kaffee und Tee.

Die Sonnenstrahlen fielen eben ins Zimmer und ich wusste, um die Ecke im Raum nebenan treffen sie auf KATHARSIS 2020. Der Chromring funkelt, das Hellblau leuchtet. Schattenspiele der Fensterkreuze. Das ist Poesie des Alltags, die Freude des einfachen Mannes am Funkeln und Glitzern. Immer schon war ein wenig Elster in mir.

Man möge es nicht glauben oder anders sehen, aber ich denke, es sind gute Zeiten, in denen wir leben. Fundamental bedeutend für das Ordnen der Gedanken, des Denkens, der Seele. Es ist nicht alles Sonne, was glänzt, aber es ist auch nicht alles Schatten, was in der dunklen Tiefe liegt.

Ich gehe in das Zimmer nebenan, lasse den Blick schweifen, schaue auf die Murano-Vasen, Shois Bild an der Wand und gehe weiter bis zur Miele. Waschen, schleudern. 30 Jahre lang. Für mich lächelt sie.

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