Einen ganz herzlichen Dank, mein lieber Götz Werner!

Teelichter dm

Nach dem Internationalen Männertag gestern geht es heute mit einer Männerstory weiter. Vor geraumer Zeit, genau gesagt am 9. September 2011, echauffierte ich mich in einem offenen Brief an Ingvar Kamprad und Götz Werner über die Minderleistungs-Brennwerte der Teelichter von IKEA und dm. Beide Teelichtsysteme waren derzeit einfach Schrott, weil die Dinger nicht nur im Grunde, sondern auch vollkommen tatsächlich absolut nix taugten. Ein Stündchen und die Dinger hauchten ihr leuchtendes Leben aus.

Nun heute, ich habe Zoe zum Tanzen gebracht und die Chance genutzt, im dm einkaufen zu gehen, da fiel mir direkt im Eingangsbereich, also am abverkaufsstarken Tür-POS (Point of Sale) ein Hunderterpack Teelichter ins Auge. Ups. Ui. Holzauge sei wachsam. Wieder dieser brennt-doch-nicht-Schrott? Nun, Götz scheint sich meinen kleinen Hinweis zu Herzen genommen haben. Auf der Packung stand – weiß auf grün: 4h Mindestbrenndauer!

MINDESTBRENNDAUER. Der Preis: 3,15 €, was ja mal bei einem Stückpreis von 3 Cent ein Schnäppchen ist – sofern… Ich war ein wenig hin und her gerissen. Nun, ich entschied mich, zu investieren. Deutschland braucht das, um die Binnenfrage anzukurbeln, um mehr zu importieren, um aus diesem Überschuss-Schlamassel rauszukommen. Ich bin bereit, meinen Teil dazu beizutragen und im Rahmen meiner Möglichkeiten zu konsumieren. Also: Mitgenommen.

Seit 19:06 Uhr nun läuft der Dauertest. Und was soll ich sagen? Es brennt. NOCH. Um 23:13 Uhr. Ist also über die 4h hinaus gewachsen. Da hat der gute Götz ganze Arbeit geleistet. Die 4h-Kennzeichnung auf der Umverpackung verheißt Dauerbrennung, darunter ist ein RAL-Gütezeichen-Kerzen zu sehen – was immer das ist -, das den Eindruck der Qualität unterstützt und flankiert und dann heißt die Serie auch noch Profissimo. Aber damit nicht genug, die Gestalter/innen haben dem Seriennamen noch ein Herzchen mit Haus oben drauf gesetzt. Liebe. Zum Detail. Zu den Menschen. Macht es euch gemütlich. Lebt das Leben, liebt euch. Bravissimo.

So schnell und einfach können Kerzen glücklich machen, wenn sie einfach nur tun, wozu sie bestimmt sind. Brennen. Lange. Das tun sie. 100 Teelichter, die mindestens 4h brennen, das macht mindestens 400h Kerzenlicht, Kerzenschein. Das sind viele Tage und Nächte. Mein Buddha freut sich, der mag Kerzen. Ist so ein Romantiker (wie ich).

Auf jeden Fall freue ich mich, dass es etwas bringt, dem Götz zu schreiben. Das bewegt was. Mächtig. Und da heißt es immer, Engagement würde sich nicht auszahlen und der kleine Mann könnte eh nichts ausrichten. Geht doch:)

Buddha

Mann, oh Mann, heute ist Internationaler Männertag!

Grins. Sorry, hatte kein anderes passendes Themenbild:) So auf die Schnelle...
Grins. Sorry, hatte kein anderes passendes Themenbild:) So auf die Schnelle…

Ja sowas!

Wusste ich gar nicht, dass es den gibt. Habe ich heute in der Agentur erfahren, als gerade eine Kollegin am Telefon (wir sitzen im Großraumbüro) mit einer Kundin – nun, sagen wir mal – Männlichkeit im Arbeitskontext als suboptimal darstellte.

Klar, konnten wir zur Feier des Tages so nicht hinnehmen und haben in freundlich charmanter Kavaliersweise nachgefragt, um uns hinsichtlich des Aufgeschnappten rückzuversichern, was zu einem gewissen Maß der Relativierung geführt hat.

Männer. Frauen. Läster, läster. Eine never ending story, in die Tradition und Emanzipation reinspielt. Vergessen wir das einen Augenblick lang und wenden uns dem einen Geschlecht zu. Spezies Mann. Oh Mann, oh Mann.

Ziemlich coole Spezies, die mir schon sehr gut gefällt. Kerle. Handfest.

Mann sollte ausrufen an diesem Tag: Kerle aller Länder vereinigt euch – äh, ich meine, also, gut, wer es so sehen will und wem es Spaß macht, klar, auch. Ich meinte aber eher, haltet zusammen, übt den positiven Schulterschluss und lebt die wunderbare schöne Männlichkeit.

MÄNNLICHKEIT. Da kommen doch gleich diese verzwackten Bilder hoch, die sich als Blaupause im Gehirn festgesetzt haben. Brusthaare, schnelle Autos, Bodyposing, flotte Sprüche, Dominanzgehabe, Fußballhysterie, Machoallüren, Rumsauferei und andere Hobbys und Auswüchse.

Hey, hey, hey. Mal schnell das Kopfkino ausschalten und sagen: Landet mal! Nöö. Alle. Wikipedia meint zum Internationalen Männertag am 19. November (der auf den Weltmännertag am 3. November folgt – alles Mann im November): “Ziele des Internationalen Männertages sind es, den Fokus auf Männer- und Jungen-Gesundheit zu legen, das Verhältnis der Geschlechter zu verbessern, die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern und männliche Vorbilder hervorzuheben. Es ist ein Anlass, um Benachteiligungen von Männern und Jungen aufzuzeigen und ihren Einsatz für die Gemeinde, Familie, Ehe und Kinderbetreuung zu würdigen.”

Da konzentrieren wir uns doch mal ganz schnell auf das zentrale Wort würdigen und vergessen mal allen Geschlechterkampf. Peace, Friede. Denn so ein Mann, das muss ich hier einfach mal sagen, der ist schon eine geniale Erfindung. Was der alles so kann. Mond und zurück und so. Im Ballon um die Erde, im Segelboot, auf dem Fahrrad, in der Raumstation. Höher, schneller, weiter.

Aber jetzt mal Spaß beiseite. Der wahre Mann, der zeigt sich meiner Meinung nach im gewöhnlichen Alltag. Das ist der Mann, der sich seines tradierten männlichen Stolzes entledigt hat und im Alltag tut, was getan werden muss. Von harter Arbeit bis zum sanften Kümmern, vom Holzhacken bis zum Windelwechseln, vom Auto reparieren bis zum Kochen und Spülen, vom Wände einreißen bis zum einfach mal Zuhören. Und auch all die Dinge, die dazwischen, man könnte meinen zwischen Himmel und Hölle liegen.

Das ist natürlich eine ganz schöne Bandbreite, die sich nicht immer durchsetzen lässt, weil einem nicht alles gegeben ist – zumindest nicht im gleichen Maße. Und da fängt Mannsein denn auch an. Das zu sein, was man ist. Fernab der Klischees und Erwartungen. Sich nicht verbiegen in die eine oder andere Richtung, nicht dem Mannsein, das allgemein kolportiert wird, hinterherlaufen. Da ist vermeintliches Starksein manchmal einfach nur Unterordnung und das Behindern der eigenen Potenziale.

Was Männer alles könnten, wenn sie nicht MANN im Kopf wären, sondern Mann im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Wozu sich Kraft und Tatkraft, Erfindungsgeist und Tüftlertalent nicht alles einsetzen ließen. Er könnte die Welt retten, der Mann, genau so, wie er sie. Ihr wisst schon.

Er ist ein ewiges Thema, eine unendliche ambivalente Geschichte mit allen Facetten. Weil wir ihn heute feiern, sagen wir mal nur Wunderbares und denken an die positiven Eigenschaften. Das Smarte, das Starke, das Schöne, das Charmante, das Feste, das Faszinierende.

Wenn sie rausgehen, die Männer, wenn sie in die Welt gehen, ihr Glück herausfordern, das Abenteuer suchen, sich opfern, bis zum Letzten kämpfen, um am Ende verschwitzt, dreckig und breit grinsend heimzukehren mit ihrer Story, die sie ein Leben lang in jeder Männerrunde neu und noch ausgeschmückter, pointierter bringen.

Ja, für mich sind es die Geschichten, die für mich den Mann ausmachen. Seine Lust, zu erzählen, die Vergangenheit zu heroisieren und sich selbst ab und an in ein positives Heldenlicht zu rücken. Ich gebe zu, es wird geflunkert. Und wahrlich übertrieben – aber das ist das Wesen der guten Story. YEPP! Ein Hoch auf uns Männer. Lasst uns tun, was getan werden muss und anschließend die Geschichten erzählen, die dabei entstanden sind. Natürlich bei einem Bier. So sind wir. Das ist das herrliche Klischee. Prost.

Mehr zum Thema Mann im fiftyfiftyblog (nach dem Motto, haben Sie auch schon Erdbeere probiert?)

Wenn Männer ihre Tage bekommen

Worüber Männer wirklich reden, wenn sie unter sich sind…

Beck’s löscht Männerdurst

Aber Männer heulen doch nicht…

Wann ist ein Mann ein Mann?

Männer, kümmert euch um eure Söhne!

Männer sind ganz anders? Frauen nicht unbedingt!

Der IKEAmann

Duschgespräche unter Männern!

Der komische Mann neben mir…

Wenn Männer Damenunterwäsche kaufen…

Fenster nach Norden

Garten_See_red

Wisst ihr was, wo wir schon mal dabei sind, lasst uns doch zusammen um die Häuser ziehen, äh, ich meine, ums Haus gehen. Gestern der Westblick, heute die Nordaussicht. Heute Morgen arbeite ich hier zu Hause an meinem Schreibtisch. Ich werde über Massage, Recycling und später über Visionen schreiben. Buntes Programm, Kirmes im Kopf.

Vorher erlaube ich mir aber ein Warm-up hier im Blog. Weil es so schön ist, die Sprache herausfließen zu lassen aus den Bildern des Tages, aus der direkten Verbindung mit dem Leben. Nichts Antizipiertes, Recherchiertes, Erforschtes. Gelebtes, live und in Farbe. Das kleine Leben, das weit unter der Metaebene mit Kleinigkeiten erfüllt.

Gestern Abend war hier Fullhouse. Jim hatte zwei Freunde da, Zoe eine Freundin (sie waren mit Ela in Fuck you Goethe und haben Elias M’Barek angehimmelt. Zu dritt:) ). Später im Ofenzimmer wurde philosophiert. Es fielen Namen. Alte griechische, ältere und neuere deutsche. Ich konnte nicht. Wollte nicht da hoch in den geistigen Olymp und habe interessiert zugehört. Das war schön. Die Neugierde zu erleben, den Wissendurst, der Schrei nach Gehirnauslastung.

Heute Morgen war ich dann mit Herrn Cooper draußen im Tal, der Nebel lag kitschig über den Wiesen und der kleinen Wiehl. Als wir zurückkamen, tauchten kurz vor dem Dorf drei Rehe vor uns auf und liefen über die Straße. Pittoresk. Sie hatten keine Eile, keine Angst. Herr Cooper hat sie wieder einmal nicht gesehen und hat schon überhaupt gar keine Tendenzen des Nachjagens gezeigt. Gut so. Er ist halt Retriever, der Dinge zurückbringt, aber eben nicht hinterherjagt. Stöckchen, als Pendant zu den geschossenen Enten, für die er ja eigentlich gezüchtet wurde. Mit Enten hat er aber auch nix am Hut – da scheint von Labrador bis hierher was verlorengegangen zu sein.

Cooper schlich den Berg hoch. Das ist sein Gang nach Canossa, weil er weiß, dass der Ausflug bald vorbei ist und er sich ein wenig langweilen wird (er schläft dann viel und fest, bis es wieder so weit ist). Zudem hat er momentan den Herbstblues. Schiermonnigkoog war für ihn das Paradies. Den ganzen Tag draußen am Strand lang, Jim hat mit ihm trainiert – auf Poller springen, über Poller springen. Da sind Mensch und Tier in ihrem Element. Nun liegt er hier und schaut manchmal wirklich therapiebedürftig. Herbstzeit ist nicht seine Zeit. Bald geht das wieder und er lächelt sein bezauberndes Schwanzwedel-Lächeln.

Für mich war der Morgen dagegen höchst erfreulich. Ich habe die fünf Teens gefüttert, was kurz nach Sechs eine mental-logistische Meisterleistung war, habe den Ofen befeuert, bin die Runde gegangen und durfte auf dem Weg durchs Treppenhaus nach oben die Sonne im Nachbargarten aufgehen sehen. Vom Nordfenster aus – die Alte Schule ist schön klassisch auf die Himmelsrichtungen abgestimmt. Das Klassenzimmer hat von morgens bis zum Sonnenuntergang Licht. Wirklich durchdacht. Das Treppenhaus als Erschließungsweg liegt im Norden. Muss man halt nur durchlaufen und da braucht man nicht viel Tageslicht, obwohl es mit drei Fenstern nicht schlecht versorgt ist.

Ich kam hoch und sah vom mittleren Fenster aus die Sonne aufgehen. Helles, flaches Licht, das über die Schule und an ihr vorbei dort hin fiel. In den Garten, auf die Wiesen, den nahen Eichenwald. Landleben. Am Fenster stehen, durchatmen. Schön.

So. 9 Uhr. Ab die Post. Blogbeitrag raus, fenster zu, los geht’s. Auf, auf. Euch wünsche ich einen schönen Tag ohne Herbstblues. Haut rein:)

Der Blick heute

Blatt Dachfenster_red

Ich habe hier den Film American Beauty schon erwähnt. Es ist die Szene meines cineastischen Lebens, die mich scheinbar am Nachhaltigsten bewegt hat. Ein Hinterhof, eine Plastiktüte im Spiel des Windes. Der Film hält inne, nimmt sich einer Metapher an und lässt diese Tüte hierhin, dorthin bewegen. Man könnte denken, es wäre ein Geschubse oder ein getrieben Werden oder einfach ein sich in die Situation ergeben.

Als ich den Film sah, als die Szene kam, war ich gebannt.

Ich hab später Fotos geschossen. Tumbling. Dinge, die fallen. Das Fallen hat eine Bedeutung. Es ist verbunden mit dieser Tüte aus dem Film.

du fällst nicht

glaubst es nur

die weiche weiche nacht umhüllt dich

wie ein warmes warmes vlies

und wenn du doch fällst

schreibt der wind des falls

dir die gänsehaut

in jeden winkel deines körpers

Nun habe ich kürzlich über das Früher geschrieben. Diese Reise zurück. Dieses Zimmer. Nun. Viele Jahre später habe ich ein neues Zimmer. Eingerichtet, aufgehübscht. Mein Lebensmittelpunkt. Am Wochenende nun waren zwei Dinge geschehen. Einmal, ich saß auf meinen Bett, da hat die Sonne den Mühlenberg gegenüber erhellt. Peng, Licht an, weg. Kurzer Augenblick. Dann hat die Birke im Bild vorne links zwei Blätter auf mein Dachfenster geworfen.

Die hängen dort, imitieren auf der Glasscheibe ein langes Fallen, heben sich von den Wolken ab und spielen TUMBLING. Metaphern des Lebens. Bewegung. Damals. Heute.

Ein Wollknäuel wickelt sich ab, zieht Fäden, von hier nach dort, verbindet die Zeiten. Es ist ein Flug, always.

Blick aus dem Fenster_red

Der Blick aus dem Zimmer meiner Kindheit

Schiefer Turm/Kaisersesch. 2013
Schiefer Turm/Kaisersesch. 2013

Was ist Kindheit?

Wenn man Vater ist, was ist Kindheit dann? Das, was man sieht, oder das, was vergangen ist? Kürzlich war ich Zuhause. In dem Zuhause, das mein Zuhause war, als ich als Kind in der Eifel lebte. Von 1974 an. Es war ein Umzug, der mir damals weder gefallen noch geschmeckt hatte. Ich war nicht gefragt und dann meiner Sprache beraubt worden, weil meine Sprache dort keinen Wert mehr hatte: Bist du was Besseres? Bin ich gefragt worden, weil ich die Sprache, die in der Schule gesprochen wurde, nicht verstand, nicht mochte, nicht lernte, nicht sprach.

Die Sprache war laut, rau, kehlig. Krankheit hieß die Freck. Wer tot war, war kapott. Eine Küche hieß eine Küsch. Mir tat es weh, auf das e zu verzichten, das s einzufügen, also habe ich es nicht getan und habe mir einen schwarzen Hund besorgt und habe mich aufgemacht in die Wälder. Aus denen bin ich erst wieder heraus gekommen, als ich die Eifel verlassen habe. Mit 17. Ich war im Krieg mit diesem Dorf, das mir nichts wollte. Es war die Sprache, die schmerzte. Ich habe mich arrangiert, habe mich bemüht, habe mich integriert, aber. Es ging nicht. Es gibt Orte, da gehört man nicht hin. Beim besten Willen. Es ist eine Aufgabe, sie nicht zu verdammen, Frieden zu finden.

Weshalb ich das hier schreibe? Tagebuchnotiz. Vervollständigung meiner Aufzeichnungen. Erinnerungen aufgrund eines Fotos, das ich kürzlich geschossen habe. Meine Mutter ist 75 geworden, ich war mit Viveka und Zoe dort, habe meine Brüder getroffen, habe aus dem Küchenfenster gesehen, das früher mein Kinderzimmerfenster war. Wir hatten uns ein Zimmer geteilt, mein jüngerer Bruder und ich. Später, im spannenden Alter habe ich das Zimmer mit einem Schrank geteilt. Ich wollte alleine sein, dafür habe ich in Kauf genommen, auf Tageslicht zu verzichten. Es lief Cat Stevens, ich trank parfümierten Tee von Sir Winston. Die Dose in Rosa, Jasmin, das Teeservice mit Stövchen aus dem Supermarkt für 9,99 DM.

Die Kirche. Ich wollte Messdiener werden, weil ich Geld mit dem Austragen des Pfarrbriefs verdienen wollte. Kein Job für Evangelische, die eh merkwürdig waren. Diaspora, kleine Kirche oben auf dem Berg. Bist du in einer Sekte? Manches Wissen war zu der Zeit noch wie geheim, die Autobahn hatte das Dorf erst kurz zuvor erreicht, und tatsächlich hat es Menschen gegeben, deren weiteste Reise im Leben bis nach Koblenz geführt hatte. Ja, ich war evangelisch. Nein, das ist keine Sekte. Ich habe dann einen anderen Job gefunden. Samstags die Straße kehren bei Dr. Meyer und seinen Schwestern vor dem Haus, das für mich eine Villa war. Das Fegen wurde kontrolliert, manchmal musste ich nachfegen. Gut. Für 40 DM im Monat, kein Problem.

Dr. Meyer war im Ruhestand. Er hätte meinen Vater retten können, aber niemand hat daran gedacht, ihn zu holen. Das war 1976 während der Fußball-Europameisterschaft. Meinem Vater war es nach dem Spiel gegen Jugoslawien nicht gut. Es war der 17. Juni 1976. Deutschland gewann nach Verlängerung, mein Vater ließ seine linke Körperhälfte in der Nacht. Der Schlag. Der Arzt kam erst am nächsten Abend. Keine Zeit. Dann war es zu spät. Krankenwagen, Blaulicht, zwei Jahre später kam er zurück. Wie sein Vater nach dem Krieg, verändert, abgemagert, traurig.

Er hat sich zurückgekämpft, hat Autofahren gelernt, hat getanzt, gefeiert wie kein Zweiter. Er ist ein wilder Mann geblieben und hat bis zu seinem Tod drei weitere Schläge überlebt. Ein zäher Brocken. Wenn ich auf diesen Kirchturm schaue, der gerade restauriert wird, denke ich an ihn. Die Zeiten früher, als ich Kind war, als die Autos orange waren, die Väter Koteletten trugen und Hosen mit Schlag. Verrückt.

Nun sitze ich hier in der Küche. Nebenan drückt sich Jim davor, seine Wäsche vom Boden zu räumen. Ela und Zoe sind in Wuppertal und schauen ein Stück von Pina Bausch. Ende November hält Zoe ihren Vortrag. Sie wird über das Leben der Pina Bausch sprechen und dann wissen, was in ihr getanzt hat. Herr Cooper liegt zu meinen Füßen, leckt sich die Pfoten und morgen Früh werden wir in den Wald gehen. An den Ort, wo meine Heimat ist, wo ich immer und überall Zuhause bin, wo die Seele es warm hat, nichts will, nicht schaut, nicht macht, nur ruht in allen Zeiten.